Wir wollten uns wieder einmal auf etwas Neues einlassen und auf Empfehlung eines Freundes ging es kurzerhand ins Volkstheater zu „Lazarus“. Beide hatten wir keine Ahnung was uns erwarten würde, aber wir waren sehr gespannt, wie die Songs von David Bowie in ein Stück verwandelt wurden. Der Film „The Man Who Fell to Earth“ in dem David Bowie die Rolle Thomas Jerome Newton spielte war mir ein Begriff, aber ich bin mir nicht sicher ob ich ihn schon gesehen habe, zumindest war die Erinnerung nicht so richtig vorhanden. Der Film gilt heute als ein wichtiges Science-Fiction-Werk und war einer der besten Filme von Regisseur Nicolas Roeg.
Kurz zu der Geschichte:
Thomas Jerome Newton sitzt in seinem Apartment in Manhattan und betäubt seinen Kummer und Schmerz mit Gin. Vor vierzig Jahren kam er als strahlender Alien auf die Erde, um Wasser für seinen Heimatplaneten zu holen und sie zu retten. Doch er kehrte niemals zurück, er verfiel den Reizen des irdischen Lebens und hat nun nur noch den einen Wunsch in Ruhe zu sterben. Unter die Dämonen und Bekanntschaften, die er in dieser Zeit gesammelt hat, mischt sich ein Mädchen, welches ihm Freiheit verspricht. Gemeinsam begeben sie sich auf eine Reise.
Günter Franzmeier spielt mit viel Liebe zum Detail Thomas Jerome Newton. Die Rolle ist bestimmt nicht einfach zu spielen, sie weist viele Facetten auf, sowie Stimmungsschwankungen und auch gesanglich ist er sehr gefordert, aber diese Aufgaben meistert er ohne Probleme. Man bekommt das Gefühl er hat sich mit der Rolle intensiv auseinander gesetzt und das Publikum hat ihn dafür gefeiert.
Seine Retterin wurde mit Katharina Klar besetzt. Sie besticht durch eine gefühlvolle Stimme und sehr sympathische Ausstrahlung, schauspielerisch ist sie auf sehr hohem Niveau, nicht umsonst wurde sie mit dem Dorothea-Neff-Preis in der Kategorie „Beste schauspielerische Leistung“ ausgezeichnet. Sie zieht das Publikum in ihren Bann, man leidet mit ihr mit und ihr liebevolles Wesen macht es einem dabei sehr leicht.
Jemand der mich auch sehr beeindruckt hat war Christoph Rothenbuchner als Valentine, er spielt einen Serienmörder, er besitzt einen Wahnsinns Ausdruck in den Augen, man kann darin seine Gedanken lesen, schauspielerisch und körperlich eine grandiose Leistung. Obwohl er einen Serienmörder spielt, empfindet man doch Sympathie für ihn.
Als Geisha war Claudia Sabitzer zu sehen, ihre Rolle ist meist stumm, aber sie bringt durch ihre Mimik und Gestik so viel Gefühl rüber, dass es oft keiner Worte benötigt, schauspielerisch eine hervorragende Leistung.
Das Liebespaar wurde von Isabella Knöllals Elli und Kaspar Locher als Zach dargestellt. Sie lieben sich, sie hassen sich, sie streiten und versöhnen sich. Elli arbeitet als Assistentin für Newton und versucht verzweifelt ihm seine Frau Mary Lou zu ersetzen und würde auch gerne sein Herz für sich gewinnen, worüber Zach natürlich alles andere als glücklich ist.
In der Rolle des Bens war Gábor Biedermann zu sehen und Rainer Galke als Michael.
Die Party Girls wurden von Anja Herden, Evi Kehrstephan und Maria Stippich verkörpert, die Ladies hatten viel Spaß auf der Bühne und das transportierten sie auch ins Publikum.
Unterstützt wurden die Schauspieler und die genialen Songs von David Bowie von der großartigen Volkstheater-Band unter der Leitung von Bernhard Neumaier, welche ich namentlich erwähnen möchte: Helmut Stippich (Klavier), Christian Neuschmid (E-Gitarre), Patrick Zambonin (E-Bass), Andreas Lettner (Schlagzeug), Manfred Franzmeier (Saxofon), Miki Liebermann (Zweite E-Gitarre) und Ryan Thomas Carpenter (Keyboard).
Lazarus ist ein Stück, das sehr viel Raum für Interpretationen lässt. Auch wir haben manche Aspekte im Stück gleich gedeutet, aber in manchen Punkten haben wir komplett konträr interpretiert und das war sehr spannend und interessant zu hören, wie der andere es empfunden hat.
Tanjas Interpretation:
Meiner Meinung nach ist Thomas Jerome Newton ein abgehalfterter Musiker, der seine beste Zeit hinter sich hat und Gin als seinen neuen besten Freund entdeckt hat. Er war viele Jahre auf Tour und hat sich dabei weder um seine Frau noch um seine Kinder gekümmert. Die Jahre ziehen weiter ins Land und er lernt Valentine kennen, der ihn möglicherweise an seinen Sohn erinnert und dieses mysteriöse Mädchen, welches vielleicht seine Tochter sein könnte. Valentine ist ein Serienmörder geworden mutmaßlich weil ihm eine richtige Vaterfigur fehlte, dies könnte der Auslöser für seine Gräueltaten gewesen sein. Das Mädchen wurde ebenfalls von Valentine getötet und ist auf der Suche nach Erlösung, sowie Newton. Doch wenn sie tot ist, wie kann sie hier sein? Was wäre wenn Valentine, der angebliche Sohn von Newton, seine eigene Schwester, das mysteriöse Mädchen getötet hat und Newton sich daran die Schuld gegeben hat und er deswegen seine Wut und Trauer im Alkohol ertränkt. Da gibt es aber auch noch Elli seine Assistentin und ihren Mann Zach, die eine doch sehr bewegte Ehe führen mit vielen Up‘s and Down‘s, sie streiten viel, aber versöhnen sich auch wieder, aber am Ende möchte sie doch die Trennung. Ich denke diese Szenen sind Erinnerungen an Newtons Ehe, die leider gescheitert ist, weil sie sich getrennt hat, da er nie Zeit für sie hatte. Alles was er erlebt hat ist zum Teil wahr, zum Teil Einbildung und damit verarbeitet er seine Vergangenheit. Eine weitere Interpretation ist, sein Ende naht und auf dem Sterbebett lässt er ein letztes Mal sein ganzes Leben an sich vorüber ziehen. Wer das Stück gesehen hat oder noch sehen wird, denn es kommt im Oktober wieder, der wird mich verstehen können.
Janines Interpretation:
Berauscht von Drogen und Alkohol blickt Newton auf kunstvolle Art und Weise auf sein Leben zurück. Er ist ein abgehalfterter Rock-Musiker, der für die Musik sein Leben hingegeben hat. Er verfällt dem Alkohol und auch härteren Drogen.
Er verliert sich im Glauben daran ein Alien auf der Erde zu sein… Er war am Höhepunkt seiner Karriere, fühlte sich wie ein Gott und hat dann jeden Bezug zu allem und jedem verloren…
Sein bester Freund und Bandkollege Michael, den Newton an die Drogen herangeführt hat, starb an einer Überdosis.
Elli seine Haushälterin ist eigentlich seine Frau Mary Lou. Seine Ehe scheiterte, aber nicht wie von Newton gewünscht durch Streitigkeiten, sondern an der Machtlosigkeit seiner Frau. Sie kann ihn vor dem Strudel aus Alkohol und Drogen nicht retten, sie fühlt sich machtlos und weiß tief in ihrem Inneren, dass sie nie die Richtige Frau für ihn sein kann. Die Trennung von Newton und Mary Lou wird uns durch die Trennung von Elli und Zach, vor allem als Elli zu ihm sagt „Ich werde nie gut genug für dich sein“ wurde mir bewusst, dass es hier nicht um die beiden geht, sondern sie nur eine Reflexion von Newtons eigener Geschichte sind.
Valentine zeigt uns die Geschichte von Newtons Sohn. Er rutschte in die falschen Kreise ab, versuchte immer wieder die Aufmerksamkeit seines Vaters zu bekommen. Als er seine ersten Erfahrungen mit Männern macht, hat er nicht die Kraft sich zu outen, aber er will auch nicht dass sein Freund Ben ihn outet und im Affekt tötet er diesen. Er ist gefangen in seiner Wut über seine Tat und ist nicht mehr aufzuhalten. Er tötet immer weiter, da er es als Rache an seinem Vater ansieht. Sein grausamster Mord ist wohl der an der eigenen Schwester.
Das unbekannte Mädchen, die Newtons Hilfe braucht, ist nur eine Spiegelung seiner Tochter. Sie bat ihren Vater um Hilfe, als der Bruder keinen Ausweg mehr sah. Doch ihr Vater stieß sie wieder von sich und sie wurde ein Opfer ihres mordlüsternen Bruders. Newton hat das Gefühl, dass er sie getötet hat, da er ihr nicht half als sie ihn darum gebeten hatte.
Er zerbricht an den Schuldgefühlen, er gibt sich die Schuld für den Tot seines Besten Freundes, dem Mord an seiner Tochter, dem Abrutschen seines Sohnes, dem Scheitern seiner Ehe… er war nie für jemand anderen da… hat nur an sich gedacht… ohne jemals Erlösung zu erlangen stirbt er letzten Endes…
Dem Volkstheater ist ein wahrer Schatz ins Netz gegangen. Ich bin glücklich, mich auf etwas Neues eingelassen zu haben und ich bin mehr als positiv überrascht, wie gut mir dieses Stück gefallen hat und es hat mich in eine neue Welt auf seiner Reise mitgenommen. Danke an die grandiosen Schauspieler, Sänger und der großartigen Band für einen unvergesslichen Theaterabend ich bin restlos begeistert.